Sprache schafft Identität –
die Macht der Corporate Language
04.11.2025
Just do it.
Wohnst du noch oder lebst du schon?
Because You're Worth It.
Drei kurze Sätze – und sofort entstehen Bilder im Kopf. Man denkt an den Schuh- und Sportartikelhersteller Nike, an das schwedische Möbelhaus IKEA und an den edlen Lippenstift L'Oréal Paris. Diese Claims sind weit mehr als bloße Werbesprüche, mit ihnen verbindet man ein Bild, ein Gefühl und die Marke selbst. Doch was macht solche Sprüche so wirkungsvoll? Wie gelingt es Unternehmen, mit nur wenigen Worten Identität zu schaffen und Emotionen zu wecken? Die Antwort liegt in der Sprache.
Am Anfang steht immer die Sprache: Wir lesen, um zu verstehen, wir sprechen, um in Kontakt zu treten, und wir schreiben, um uns mitzuteilen. Sprache ist nicht nur ein Werkzeug, sondern ein Ausdruck dessen, wer wir sind und was wir sein wollen. Genau hier beginnt auch die Identität eines Unternehmens. Unternehmen, die sich erfolgreich am Markt positionieren, haben eines gemeinsam: Sie sprechen eine einzigartige, unverwechselbare und wiedererkennbare Sprache: eine Corporate Language (auf Deutsch: Unternehmenssprache).
Die Unternehmenssprache ist Teil der Corporate Communication (auf Deutsch: Unternehmenskommunikation) und gehört zur Corporate Identity eines Unternehmens. Die Corporate Identity definiert das einheitliche Auftreten und Selbstverständnis eines Unternehmens. Sie sorgt dafür, dass eine Marke wiedererkennbar, glaubwürdig und unverwechselbar auftritt. Dabei handelt es sich um ein ganzheitliches Selbstbild, das sowohl nach innen als auch nach außen vermittelt wird. Es umfasst im Wesentlichen vier zentrale Bereiche, die gemeinsam den Gesamteindruck des Unternehmens, das sogenannte Corporate Image, prägen. Dazu zählen:
- Corporate Design, das für das optische Erscheinungsbild steht,
- Corporate Behaviour, welches das Verhalten und die Beziehungen eines Unternehmens beschreibt,
- Corporate Culture, die die Unternehmenskultur widerspiegelt, und
- Corporate Communication, die alle Formen der Kommunikation umfasst.
Unter dem Begriff Corporate Language wird die Wirkung eines Unternehmens mittels Textform verstanden. Sie umfasst weit mehr als Wortwahl oder Tonalität – sie definiert, wie ein Unternehmen klingt, egal ob in E-Mails, auf der Website, in Social-Media-Posts oder in Werbekampagnen. Die Unternehmenssprache umfasst diverse Aspekte wie Rechtschreibung und Grammatik, spezielle Schreibweisen, Festlegung von Textsorten und Begriffe bis hin zu stilistischen Feinheiten und sprachlichen Bildern. Auf diese Weise verleiht Sprache einem Unternehmen Identität.
Armin Reins, Unternehmer, Autor und Markenstratege, prägte mit seinem Buch Corporate Language: Wie Sprache über Erfolg oder Misserfolg von Marken und Unternehmen entscheidet. (2006) den Begriff der Unternehmenssprache maßgeblich. Zu dieser Zeit setzte ein Umdenken ein: Sprache sollte nicht länger nur der Information dienen, sondern auch Identität stiften. Eine Unternehmenssprache macht eine Marke unverwechselbar, wiedererkennbar und stärkt ihr Image. „Eine Corporate Language muss sich durch alles ziehen: Das geht vom Slogan, über den Internet-Auftritt und dem Call-Center: alle müssen die charakteristische Sprache des Unternehmens sprechen, welche die Gefühle der Verbraucher anspricht“, erklärt Armin Reins im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.
Führungskräfte spielen dabei eine Schlüsselrolle, indem sie mit gutem Beispiel vorangehen und die Unternehmenssprache im Alltag leben. Wird die Corporate Language von allen Mitarbeitenden authentisch umgesetzt, steigert das nicht nur die Glaubwürdigkeit der Marke, sondern auch das Vertrauen der Kund*innen.
Wie entwickelt man eine
Unternehmenssprache?
Die Suche nach sprachlicher Identität beginnt bei der Definition der eigenen Persönlichkeit. Sowohl der eigene Sprachstil als auch die Sprache, mit der sich ein Unternehmen ausdrückt, bestimmen, wie es wahrgenommen wird und welche Assoziationen damit verbunden sind. Im Fokus steht die Frage: Wer bin ich – und wer wäre mein Unternehmen, wenn es eine Person wäre? Mögliche Rollenbilder könnten Expert*in, Freund*in, Verkäufer*in oder Partner*in sein. Ebenso entscheidend ist, für welche gesellschaftlichen oder moralischen Werte dieses „Ich“ steht. Verkörpert es Tradition oder Fortschritt, Heimat oder Globalität, Ehrlichkeit und Klarheit oder Cleverness? Je präziser dieses „Ich“ definiert wird, desto klarer lässt sich eine Corporate Identity entwickeln – und damit auch die Corporate Language.
Ist dieses „Ich“ definiert, beginnt die Suche nach dem passenden Claim. Oft wird er fälschlicherweise mit einem Slogan gleichgesetzt – tatsächlich ist er jedoch weit mehr als das. Der entscheidende Unterschied: Während Slogans meist auf ein Produkt verweisen, führen Claims zur Markenidentität selbst. Ein Claim ist ein kurzer, prägnanter und einprägsamer Satz oder Teilsatz, der das Markenversprechen oder den Markenkern auf den Punkt bringt. Er soll die Identität wiederspiegeln, für die Zielgruppe relevant sein und im Idealfall eine emotionale Verbindung herstellen.
Ein bekanntes Beispiel liefert IKEA mit ihrem legendären Wohnst du noch oder lebst du schon? Charakteristisch für die IKEA-Sprache sind dabei das typische „Du“, der ständige Rekurs auf den skandinavischen Sprachraum sowie Begriffe wie „Zuhause“, „Familie“ und „einfach“. IKEA lebt ihre Corporate Language konsequent – nicht nur im Claim, sondern auch in den Einrichtungshäusern, in Werbekampagnen und in den Produktnamen, wie etwa beim bekannten PAX Kleiderschrank. So wird deutlich: Jeder noch so kleine Text trägt zur Markenpersönlichkeit bei.
Der Blick nach außen
Sobald Werte, Claim und das eigene „Ich“ definiert sind, richtet sich der Blick nach außen. Dieser Perspektivwechsel dient bei der Entwicklung einer Corporate Language vor allem dem Ziel, das eigene Profil zu schärfen.
Oft stehen in Unternehmenstexten das Unternehmen selbst und seine Leistungen zu sehr im Vordergrund. Doch wirkungsvolle Texte beginnen nicht beim Absender, sondern beim Empfänger. Vor dem Schreiben sollte daher immer die Frage stehen: Wem erzähle ich gerade was und welche Menschen möchte ich ansprechen und bewegen? Wer seine Zielgruppe kennt, findet leichter den richtigen Ton. Je präziser sowohl das „Ich“ des Unternehmens als auch das „Ich“ der Kundschaft definiert sind, desto klarer und konsistenter lassen sich sprachliche Leitlinien gestalten. All dies führt schließlich zu einer authentischen und glaubwürdigen Corporate Language.
Fazit
Sprache ist lebendig und sie verändert sich ständig. Das gilt auch für die Sprache eines Unternehmens. Nicht nur interne Entwicklungen oder Umstrukturierungen, sondern auch äußere Einflüsse, wie gesellschaftliche Veränderungen und die Erwartungen der Zielgruppen, wirken auf sie ein. Darum muss eine Corporate Language flexibel bleiben und sich weiterentwickeln können. Doch bei allen Anpassungen sollte das Unternehmen nie sein eigenes „Ich“ verlieren. Authentizität entsteht dann, wenn Persönlichkeit und Werte als Kompass dienen, denn so machen sich Marken unverwechselbar und glaubwürdig.